Wie KI-Technologien unsere Welt verändern
Mithilfe von Künstlicher Intelligenz lassen sich bereits heute viele Arbeitsprozesse optimieren und automatisieren. Doch was ist KI genau? Welche Potentiale schafft sie? Und welche Gefahren birgt der Einsatz?
ChatGPT, Midjourney, Google Bard – KI-Bots erfreuen sich seit einiger Zeit großer Beliebtheit. Doch neu ist die Technologie nicht. Im Gegenteil: Das weltweit erste KI-Programm wurde bereits 1956 erschaffen. Der „Logic Theorist“ – so der Name der KI – konnte nicht nur 38 Theoreme aus dem Werk „Principia Mathematica“ von Bertrand Russell und Alfred North Whitehead beweisen, sondern komplett neue und kürzere Beweise für einige finden. Ein absolutes Novum zur damaligen Zeit.
Seitdem ist viel passiert: 1966 erblickt der erste Chatbot das Licht der Welt, 1972 hält die KI Einzug in den medizinischen Sektor, 1986 wird mit „NETtalk“ die erste auf KI basierende Computerstimme geboren.
Künstliche Intelligenz gibt es also schon eine ganze Weile. Während sich die Technologie laufend weiterentwickelt, teilen Wissenschaftler die verschiedenen KIs in unterschiedliche Arten ein. Die sogenannte schwache KI wird eingesetzt, um Lösungen zu spezifischen Problemen zu finden. Schwache KI wird für spezielle Anforderungen programmiert und kann außerhalb dieser Grenzen nicht agieren. Beispiele für Einsatztgebiete einer schwachen KI sind Navigationssysteme oder Spracherkennung.
Eine starke KI hingegen ist in der Lage, eigenständig komplexe Aufgaben zu übernehmen und sich dafür selbstständig Wissen anzueignen – zumindest in der Theorie. Denn bis heute hat es noch niemand geschafft, eine solche KI zu entwickeln. Gern zitierte Beispiele für starke KIs aus der Pop-Kultur sind HAL 9000 („2001: A Space Odyssey“) oder der „Terminator“.
Neben den beiden Arten gibt es unterschiedliche Typen, in die KIs grob eingeteilt werden können:
1. Reaktive KI
Diese Kategorie beschreibt die eifnachste Form von Künstlicher Intelligenz. Diese KIs sind für eine bestimmte Aufgabe konzipiert worden und reagieren dabei ausschließlich auf externe Eingaben.
Der „DeepBlue“-Schachcomputer von IBM ist ein Beispiel für eine reaktive KI. Der Computer reagiert auf das Versetzen von Figuren des Gegenspielers auf dem Schachbrett und gibt als Reaktion eine Position für eine seiner Figuren vor. Dieser KI ist es gelungen, den amtierenden Schachweltmeister Garry Kasparov im Jahr 1997 zu schlagen. 2016 hat die KI „AlphaGo“ von DeepMind ebenfalls einen Weltmeister besiegt. Mit 4 von 5 Siegen konnte sich die KI gegen Lee Sedol im chinesischen und als komplexesten angesehenen Brettspiels „Go“ durschetzen.
2. KI mit begrenzter Speicherkapazität
KIs mit begrenzter Speicherkapazität sind in begrenztem Maße dazu in der Lage, mithilfe von Daten, die in der Vergangenheit gesammelt oder einprogrammiert wurden, auf aktuelle Situationen zu reagieren.
Ein Beispiel für solch eine KI sind selbstfahrende Autos. Diese Form der Künstlichen Intelligenz besitzt einen begrenzten Speicher, in dem bereits spezielle Objekte und Situationen modelliert sind Die KI weiß, wie Autos und Menschen aussehen und wie sie sich verhalten. Zudem kennt sie die Straßenverkehrsordnung. Diese Daten werden mit der aktuellen Situation im Straßenverkehr abgeglichen und führen zu einer Entscheidung seitens der KI, was als nächstes zu tun ist.
Zum jetzigen Zeitpunkt sind die reaktive KI und die KI mit begrenzter Speicherkapazität die einzigen KIs, die in der Realität existieren. Doch auch für die nächsten zwei Typen gibt es konkrete Vorstellungen, wie sich diese KIs verhalten.
3. Künstliche intelligente Maschinen
KIs vom Typ 3 können Emotionen von Menschen wahrnehmen, verstehen und ihr eigenes Verhalten daran anpassen. Auch weitere menschliche Aspekte, wie ein Gedächtnis und die Wahrnehmung der Welt, werden Teil dieser KIs sein.
Das Schwierige daran, solch eine KI zu entwickeln, liegt in den unzähligen Variablen, die das menschliche Gehirn mit sich bringt. All die verschiedenen Facetten, wie Emotionen, Werte und Normen, sind sehr komplex.
4. Selbstwahrnehmung
Diese Form der KI stellt die höchste von allen dar. Die KI besitzt ein Bewusstsein und nimmt die Welt mit allen Facetten wahr. Das Intelligenzlevel ist auf gleichem oder höherem Niveau als das der Menschen. Zudem ist die KI in der Lage, alle Aufgaben, die Menschen erledigen, gleichwertig oder besser zu erledigen.
So viel zu den verschiedenen Definitionen. Aber welche Rolle spielen KIs in unserer heutigen Gesellschaft und welche Auswirkungen haben sie auf uns, unser Leben und unseren Alltag?
Wo Künstliche Intelligenz schon Alltag ist
Es gibt verschiedenste Bereiche, in denen Künstliche Intelligenz uns Menschen heute unterstützt. Eine der aktuellsten und aufsehenerregendsten Anwednungen ist natürlich ChatGPT von OpenAI. Der Chatbot kommuniziert mithilfe generativer KI über Textnachrichten mit dem Nutzer. Eine moderne maschinelle Lerntechnologie ermöglicht es der KI, entsprechende Antworten auf Gesprächsthemen zu formulieren. Die Bandbreite der Möglichkeiten ist dabei gar nicht so klein. So kann ChatGPT zum Beispiel bei der Erstellung von Inhalten unterstützen, in dem die KI relevante Fakten „recherchiert“ und übersichtlich aufbereitet. Auch für das Formulieren und Überarbeiten von Texten ist die KI nützlich. Mithilfe von Texteingaben, sogenannten Prompts, können verfasste Ausgaben zum Beispiel emotionaler, witziger oder neutraler geschrieben werden.
Doch ganz fehlerlos ist die Technologie nicht. So kann es etwa vorkommen, dass ChatGPT falsche Behauptungen als Tatsachen darstellt. Eine selbstständige Überprüfung der vermeintlichen Fakten durch den Anwender ist also erforderlich, um am Ende keine Falschinformationen zu verbreiten. Auch sollte man die Texte des Chatbots nicht eins zu eins übernehmen. Denn ChatGPT „erfindet“ nicht einfach eigene Sätze, sondern bedient sich der Daten, die ihm für das Training zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet, dass die Sätze, je nachdem, aus wie vielen verschiedenen Daten sie bestehen, einem Urheberrecht unterliegen. Daher ist es wichtig, die Texte mit eigenen Worten umzuformulieren.
Eine weitere, spannende Entwicklung stellt Google Duplex dar. 2018 vom Alphabet-Geschäftsführer Sundar Pichai vorgestellt, ist diese Art der KI eine Erweiterung von Google Assistant und ermöglicht es, automatisiert Anrufe zu tätigen und Termine zu buchen. Interessant hierbei ist auch, dass die KI Füllwörter wie „ähm“ oder „Mm-hmm“ nutzt, um menschlicher zu wirken.
Banken nutzen in den USA inzwischen verstärkt Algorithmen, um zu entscheiden, welcher Kunde einen Kredit bekommt und welcher nicht. Bei den Entscheidungen bezieht sich die KI auf Datensätze, mit denen sie vorher trainiert wurde. Hierbei wird ein großes Problem deutlich: Die Daten, die üblicherweise aus dem Internet extrahiert werden, unterliegen einer gesellschaftlichen Verzerrung und sind nicht vorurteilsfrei. So werden mitunter verbreitete Ressentiments, wie Rassismus und Sexismus, von der KI übernommen. Das hatte zur Folge, dass im Falle der Kreditvergabe in den USA, die Entscheidung über die Vergabe eines Kredits von der Hautfarbe des betreffenden Kunden abhängig war. Andere Faktoren, wie Einkommen und Schulden, wurden nicht oder weitaus weniger berücksichtigt.
Auch wird KI in den letzten Jahren immer stärker für sogenannte Deep Fakes genutzt. Deep Fakes sind Medieninhalte, wie Bild-, Video- oder Audio-Aufnahmen, die mithilfe von KI digital verändert wurden. Oft werden sie für Falschinformationen genutzt oder für Manipulation eingesetzt. Der US-amerikanische Schauspieler und Comedian Jordan Peele beweist in einem Video, wie realistisch Deep Fakes bereits heute aussehen können.
EU bringt KI-Verordnung auf den Weg
Um den Gefahren der Ungleichbehandlung und Manipulation entgegenzuwirken sowie der weiteren Erforschung der Technologien Leitlinien vorzugeben und so Risiken für die Gesellschaft einzuschränken, hat die EU verschiedene Maßnahmen ergriffen.
Damit Deep Fakes als solche erkenntlich sind, verlangt die EU-Kommission von Unternehmen die Kennzeichnung von künstlich erzeugten Inhalten. Da die beiden Unternehmen Microsoft und Google mit den Suchmaschinen „Bingchat“ und „Bard“ auf generativer KI basieren, werden diese mit in die Pflicht genommen.
Desweiteren hat die EU eine KI-Verordnung auf den Weg gebracht, die Künstliche Intelligenz regulieren soll. So sollen alle KI-Technologien die Grundrechte der Bürger achten und weder manipulativ noch diskriminierend oder in einer anderen Art und Weise die Grundrechte einschränken oder missachten.
Weiterhin soll mehr Transparenz der Entwicklungen gewährleistet werden sowie eine höhere Rechenschaftspflicht. So muss bei generativen KIs offengelegt werden, dass der Inhalt durch KI generiert wurde. Dabei muss die KI so gestaltet werden, dass illegale Inhalte nicht erzeugt werden. Auch Zusammenfassungen von urheberrechtlich geschütztem Material, welches für KI-Trainingszwecke genutzt wurde, dürfen nicht generiert werden.
Auch soll mit der Verordnung ein einheitlicher Rahmen geschaffen werden, der es Unternehmen erleichtert, entsprechende Technologien zu entwickeln und zu nutzen. Laut Verordnung sollen KIs dafür nach ihrem Risikopotential klassifiziert werden: risikoarm, begrenzt riskant, riskant und verboten.
So sollen zum Beispiel Technologien wie das „Social Scoring“-System unzulässig sein. Die Bewertung von menschlichem Verhalten sowie einer flächendeckenden Überwachung mithilfe biometrischer Echtzeitdaten führt zu massiven Menschenrechtsverletzungen. KIs mit weniger Gefahrenpotential, wie ChatGPT, sollen weiterhin zugelassen werden.
Anfang Dezember 2023 wurde eine politische Einigung über das Gesetz erzielt. Nachdem das Europäische Parlament und der Rat das Gesetzt förmlich verabschiedet haben, wird die Verordnung zeitnah im Amtsblatt veröffentlicht und gilt nach 20 Tagen als bindend.
Zwischen Euphorie und Regulierung
Künstliche Intelligenz ist nicht komplett neu in der Menschheitsgeschichte. Das rasante Tempo, mit dem die Entwicklung neuer Anwendungen voranschreitet und die immer weiterentwickelten Technologien haben jedoch mittlerweile ein neues Niveau erreicht. Die Medizin, Wirtschaft, Wissenschaft und viele andere Bereiche profitieren bereits von den neuen Anwendungsmöglichkeiten. Auch im privaten Umfeld haben KIs längst Einzug gefunden. Sei es Amazon Alexa, Google Bard, Midjourney – KIs erfreuen sich großer Beliebtheit.
Doch die Technologie birgt auch Gefahren. Manipulation und Täuschung durch Künstliche Intelligenz sind eine reale Gefahr für alle Bürger. Zwar ist die Kennzeichnung von generierten KI-Inhalten, wie es die EU fordert, ein richtiger Schritt, jedoch wird das nicht ausreichen, um Desinformation gänzlich zu vermeiden. Daher ist es wichtiger denn je, Informationen aus dem Internet bewusst zu hinterfragen und in einen Kontext zu setzen.
Durch Richtlinien und Gesetze, die bestimmte Grundregeln, wie Ethik, Gleichbehandlung und Transparenz festsetzen, wird ein Grundstein für die Regulierung weiterer Entwicklung und Nutzung von KI-Technologien gelegt und ein Teil der Risiken minimiert. Jedoch werden auch in Zukunft weitere Gesetze geschaffen werden müssen, um dem rasanten Fortschritt von KI gerecht zu werden.
Dr. Moritz Liebeknecht
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