Hindernisse überwinden mit barrierefreier Software

Barrierefreie Software
Fachartikel

Barrierefreie Software ermöglicht allen Mitarbeitern eines Unternehmens oder einer Behörde, dieselbe Arbeit zu erledigen. Unser Fachartikel erklärt, worauf Sie dabei achten müssen.

Barrierefreies Arbeiten

Der Begriff „barrierefrei“ kommt ursprünglich aus dem Bauwesen und meint, dass beispielsweise der Zutritt zu einem Gebäude oder die Nutzung eines Gegenstandes keinem Menschen durch Hindernisse oder Behinderungen jeglicher Art erschwert werden soll. An vielen Stellen im öffentlichen Raum begegnen uns Maßnahmen zur Barrierefreiheit (engl.: accessibility). So wird etwa Rollstuhlfahrern das Überwinden von Höhenunterschieden durch Rampen erleichtert, während Tonsignale an Ampeln blinden und sehbehinderten Menschen das Signal zum Überqueren der Straße „übersetzen“.Analog dazu soll barrierefreie Software allen Mitarbeitern eines Unternehmens oder einer Behörde ermöglichen, dieselbe Arbeit zu erledigen. Typische Barrieren entstehen dabei durch körperliche Behinderungen, etwa einem fehlenden Seh- oder Hörsinn oder motorischen Einschränkungen.Doch welche Voraussetzungen muss eine Software erfüllen, um allen Mitarbeitern das Verrichten der gleichen Arbeit zu ermöglichen? Und wie kann die jeweilige Einschränkung durch Software kompensiert werden?

Wie wird Software barrierefrei?

Durch verschiedene Normen, wie die ISO 9241 für die „Ergonomie der Mensch-System-Interaktion“, die „Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)“ des World Wide Web Consortiums und die „Barrierefreie Informationstechnik Verordnung (BITV 2.0)“, sind Richtlinien beziehungsweise Kriterien für barrierefreie Software definiert:

  • Trennung von Text und Layout, damit Text von Screenreadern ausgelesen und auf einer Braille-Zeile ausgegeben werden kann (Ausgabe in Blindenschrift).
  • Für nicht textliche Inhalte müssen Alternativen angeboten werden. Zum Beispiel sogenannte Alt-Tags für Bilder und Grafiken.
  • Inhalte sind so aufzubereiten, dass sie ohne Informationsverlust ausgelesen werden können.
  • Farbe darf nicht das einzige Mittel sein, um Informationen zu übermitteln oder eine Reaktion zu veranlassen – etwa die Farbe Rot bei Buttons und Warnhinweisen.
  • Alle Funktionen sollen über eine Tastatur ausgeführt werden können, um bewegungseingeschränkten Menschen die Steuerung zu erleichtern.
  • Offenheit in Bezug auf Betriebssysteme und Endgeräte, um die Anbindung von Screenreadern, Vorlesehilfen und anderen assistiven Technologien zu gewährleisten.
  • Offenheit in Bezug auf die Skalierung und Darstellung, um Vergrößerungen, Invertierungen oder besonders kontrastreiche Darstellungen zu ermöglichen.

Open from scratch

Diese Kriterien erscheinen logisch, definieren sie doch moderne Software-Architekturen mit einem „sauberen“, universalen Code. In guten Software-Applikationen sollten alle Funktionen für alle Anwender nutzbar sein. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Häufig ist der Code nicht barrierefrei. Screenreader erhalten keinen Zugang zu den Informationen oder schlimmer noch: Informationen werden fehler- oder lückenhaft ausgelesen. Genau das darf bei barrierefreien Anwendungsszenarien nicht passieren, schließlich müssen sich blinde Menschen auf assistive Technologien verlassen können.Nicht nur durch den Code, auch durch die Benutzeroberfläche werden häufig Barrieren geschaffen. Analog zum Trend im Netz ist moderne Software stark visuell geprägt. Applikationen arbeiten mit Bildern, Grafiken, farblichen oder animierten Elementen, schwebenden Menüs, Drag and Drop oder Overlays. Screenreader und andere assistive Technologien können mit solchen Benutzeroberflächen nur schwer umgehen. Für Business-Software gilt daher: Weniger ist mehr.Einfach zu erschließende, klar strukturierte Benutzeroberflächen sind, auch wenn sie vielleicht langweilig erscheinen, mit hoher Wahrscheinlichkeit barrierefrei – und meist auch für Nutzer ohne Einschränkungen effektiver zu bedienen.

Gute Voraussetzung: Ein detaillierter Anforderungskatalog

In zahlreichen Projekten für barrierefreie Software-Anwendungen enthalten die Anforderungskataloge nur sehr wenige Vorgaben. Einerseits, da es den Auftraggebern häufig an einschlägiger Erfahrung mangelt, andererseits, weil es an fachspezifischem Wissen fehlt. Die Fragen lauten: Was muss und was kann umgesetzt werden? Und auf welche Art und Weise?Nehmen wir das Beispiel eines Callcenters: Der Prozess Anruf – Annahme – Bearbeitung – Auflegen – Nachbearbeitung soll für blinde Mitarbeiter und Kollegen mit motorischen Einschränkungen barrierefrei gestaltet werden.Für blinde Anwender muss die komplette Steuerung per Maus in Shortcuts, Tabulatorsteuerung sowie Ein- und Ausgabe auf die Braille-Tastatur übertragen werden. Eine Alternative zur Maussteuerung hilft zugleich auch Anwendern mit motorischen Einschränkungen, weil diese mit Tabulatoren und Shortcuts oft schneller sind als mit der Maus. Für sehbehinderte Menschen müssen zudem Möglichkeiten zur extremen Vergrößerung und starken Kontrastsetzung geschaffen werden. Ferner gilt es zu überlegen, wie der Prozess und Teilprozesse abgebildet werden:

  • Wie sollen blinde Mitarbeiter beispielsweise über einen eingehenden Anruf benachrichtigt werden und wie nehmen sie ihn an?
  • Wie dokumentieren motorisch behinderte Nutzer, die nur langsam oder eingeschränkt tippen können, Geschäftsvorfälle?
  • Wie werden zusätzliche Dokumente – z.B. Gesprächsleitfäden – zugänglich gemacht?

Abschließend müssen die „übersetzten“ Funktionen in Skillsets und Anwenderprofilen hinterlegt werden, die bestimmte Fähigkeiten und Fachwissen voraussetzen. Für die erfolgreiche Umsetzung dieses hochkomplexen Prozesses sollten von Beginn an gute Grundlagen geschaffen werden. Ein klarer und detailliert formulierter Anforderungskatalog spart am Ende viele Iterationen und Testzyklen.

Erfahrene Partner

In der Softwareentwicklung und Programmierung von Business-Applikationen haben sich gemischte Teams aus IT-Leuten, Entwicklern, Fachverantwortlichen und Anwendern bewährt. Auch in Barrierefrei-Projekten kann es sinnvoll sein, die eigentlichen Nutzer, eingeschränkt und nicht, in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. Gerade behinderte Anwender können aufgrund ihrer Alltagserfahrungen wichtige Ideen einbringen.Wenn es Ihnen an detaillierten technologischen Kenntnissen oder Erfahrungen mit barrierefreier Software fehlt, sollten Sie nicht davor zurückschrecken, Experten hinzuzuziehen. Ein seriöser Partner kann Ihnen beispielsweise Kontakte zu den Verantwortlichen in Referenzprojekten vermitteln. So können Sie mit den Kollegen sprechen und von deren Erfahrungen profitieren. Denn selbst bei guten Voraussetzungen dauert es viele Tests und Iterationen, bis eine barrierefreie Bedienung steht.Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf, wenn Sie Fragen zum Thema barrierefreie Software haben oder auf der Suche nach einem erfahrenen und verlässlichen Partner sind, der Ihnen bei der Realisierung eines solchen Projektvorhabens helfen kann.

Foto von Dr. Moritz Liebeknecht.  Lächelt in die Kamera.
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Dr. Moritz Liebeknecht
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